Periheldrehung
Man beginnt klassisch mit der Energiegleichung:
$$E = \frac{1}{2}\cdot m\cdot \dot{r}^2 + \frac{1}{2}\cdot \frac{L^2_{\nu}}{m\cdot r^2} - G\cdot \frac{M_S\cdot m}{r} - \frac{\gamma}{r^3}\tag{1}$$
Um die Periheldrehung beschreiben zu können, braucht man ein Störpotential $S(r)$ als Ursache:
$$S(r) = - \frac{\gamma}{r^3}\tag{2}$$
Die Energiegleichung ist zeitlich konstant. $E$ ist damit die erste Erhaltungsgröße.
Die Bilanz
$$V_{\text{eff}} (r) = \frac{1}{2}\cdot \frac{L^2_{\nu}}{m\cdot r^2} - G\cdot \frac{M_S\cdot m}{r}$$
wird Effektivpotential genannt.
Durch Ableitungen nach dem Winkel $\nu$ und der Zeit t erhält man eine Differentialgleichung 2. Ordnung (DGL abgekürzt):
$$m\cdot\ddot{r} - \frac{L^2_{\nu}}{m\cdot r^3} + G\cdot \frac{M_S\cdot m}{r^2} + 3\cdot \frac{\gamma}{r^4} = 0\tag{3}$$
mit $G$ als der Gravitationskonstanten und $M_S$ der Sonnenmasse und dem senkrecht auf der Bahnebene stehenden Drehimpuls $L_{\nu}$:
$$L_{\nu} = m\cdot r^2\cdot \dot{\nu} \quad\text{oder}\quad \vec{L}_{\nu} = \vec{r} \times m\cdot \dot{\vec{r}}\tag{4}$$
Auch der Bahndrehimpuls $L_{\nu}$ ist zeitlich konstant und damit die zweite Erhaltungsgröße. Diese komplex wirkende Darstellung (Gleichung 3) muss jetzt nach $r$ integriert werden. Dies geschieht mit einem Kunstgriff, was die Gleichung vereinfacht. Man setzt:
$$r(\nu(t)) = \frac{1}{u(\nu(t))}\tag{5}$$
Dann gilt mit Hilfe des Bahndrehimpulses $L_{\nu}$:
$$\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} = \frac{L_{\nu}}{m}\cdot u^2\cdot \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\nu} \Rightarrow \ddot{r} = - \frac{L_{\nu}^2 \cdot u^2}{m^2}\cdot \ddot{u}\tag{6}$$
Daraus folgt für die DGL (3) mit einigen Umformungen:
$$\ddot{u} + u = k + \frac{\kappa}{k}\cdot u^2\tag{7}$$
mit
$$k = \frac{G\cdot M_S\cdot m^2}{L_{\nu}^2} = \text{konst.}\tag{8}$$
und mit $\kappa$ hat man bereits der Wert der Periheldrehung:
$$\delta\nu = 2\cdot\pi\cdot\kappa = 6\cdot\pi\cdot\gamma\cdot\frac{G\cdot M_S\cdot m^3}{L_{\nu}^4}\tag{9}$$
Man kann das astronomische Phänomen bildlich in Abb. 1 darstellen:
Die Lösung der DGL (7) erfolgt mit dem quasi-linearen Ansatz:
$$U(\nu) = u(\nu) + \kappa\cdot s(\nu)\tag{10}$$
Und das führt zurück auf den Radius $r = \frac{1}{u}$:
$$r(\nu) = \frac{p}{1 + \epsilon\cdot\cos\big[(1 - \kappa)\cdot\nu\big]}\tag{11}$$
mit
$$\epsilon = \sqrt{1 + (1 - \gamma)\cdot\frac{2\cdot p\cdot E}{G\cdot M_S\cdot m^3}}\tag{12}$$
und mit dem Bahnparameter $p$. Er ist der reziproke Wert aus Gleichung (8):
$$p = \frac{L_{\nu}^2}{G\cdot M_S\cdot m^2} = a\cdot (1 - \epsilon^2)\tag{13}$$
Die Apsidenlinie dreht sich pro Umlauf um den Betrag $\dot{\varpi}_g$ = $2\cdot \pi\cdot \kappa$ $\widehat{=}$ 360$^{\circ}\kappa$. $a$ ist die große Halbachse und $m$ die Masse des betrachteten Himmelsobjekts. Die Beträge der einzelnen Planeten sind in der nachfolgenden Tabelle 1 aufgelistet (Einheiten sind in ''/Jhdt.):
Tabelle 1 | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
# | IMCCE | JPL | # | IMCCE | JPL | ||
Planet | Beobachtung | Beobachtung | Theorie | Planet | Beobachtung | Beobachtung | Theorie |
Merkur: | 5,719 | 5,738 | 5,540 | Jupiter: | 7,758 | 6,552 | 7,510 |
Venus: | 0,175 | 2,045 | 2,070 | Saturn: | 20,395 | 19,505 | 18,590 |
Erde: | 11,612 | 11,446 | 12,790 | Uranus: | 3,215 | 3,336 | 2,750 |
Mars: | 15,980 | 16,281 | 17,750 | Neptun: | 1,050 | 0,364 | 0,670 |
Man erkennt an Venus und Neptun, daß die Periheldrehung von der numerischen Exzentrizität $\epsilon$ der Planetenbahn abhängt. Bringt man den Bahnparameter $p$ in die Periheldrehung $\kappa$ ein, so erkennt man, daß $\kappa$ von der numerischen Bahnexzentrizität $\epsilon$ abhängt:
$$\kappa = \frac{3\cdot \gamma\cdot m}{a\cdot L_{\nu}^2\cdot (1 - \epsilon^2)}$$
Der Ausdruck erklärt, warum die Periheldrehung bei $\epsilon = 0$ nicht verschwindet. Die Störung $\gamma$ wirkt auch auf Kreisbahnen.