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Gauß-Krüger-Koordinaten

Dies ist ein Artikel von Holger Filling aus dem Jahre 2022 mit dem Titel „Geographische Koordinaten aus Gauss-Krüger-Koordinaten berechnen“.

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Der nachfolgende Text ist eine Abschrift in geänderter Formatierung. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dipl.-Ing. Holger Filling. Die Erlaubnis ist schriftlich beim Autor H. Filling hinterlegt.

Einleitung

Bereits seit einigen Jahren werden, z.B. auf der gebräuchlichsten topographischen Karte im Maßstab 1:25000 (Wanderkarte), nur noch Gauß-Krüger-Koordinaten angegeben. Auf die von Sternfreunden häufig verwendeten geografischen Koordinaten Länge $\lambda$ und Breite $\varphi$ hat man, aus welchen Gründen auch immer, seitdem verzichtet und so waren diese plötzlich nicht mehr da. Das ist für den Hobby-Astronomen, der z.B. die Beobachtung einer streifenden Sternbedeckung durch den Mond oder einer Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten plant, sicher keine glückliche Entscheidung gewesen, weil der Verlauf der Grenz- bzw. der Zentrallinie üblicherweise in Längen- und Breitengraden angegeben wird (z.B. in dem im Kosmos-Verlag erscheinenden Jahrbuch »Der Sternenhimmel 2022«, bei den Tabellen zu den streifenden Bedeckungen ab Seite 257 ff.).

Um trotzdem nach einem geeigneten Standort für die Beobachtung suchen zu können, benötigt der Sternfreund also eine Umrechnung, um die Möglichkeit zu haben die konformen Gauß-Krüger-Koordinaten aus den geografischen Koordinaten berechnen zu können.

In dem Buch »Mathematisches Hilfsbuch für Studierende und Freunde der Astronomie« von Wolfgang Wepner, welches vor mehr als 30 Jahren im damals noch bestehenden Treugesell-Verlag der Dr. Vehrenberg K.G. in Düsseldorf erschienen ist, werden vom Autor die dazu benötigten Formeln angegeben. Herr Wepner war zu der Zeit auch der VdS Fachgruppen-Verantwortliche für »Rechnende Astronomie«, heute »Astrophysik und Algorithmen«. In einem Brief hat er mir damals auch noch die Formeln für den umgekehrten Weg, also die Berechnung der konformen Koordinaten aus den geografischen, mitgeteilt. Diese Berechnung hat nach dem Entfallen der Angabe von geografischen Koordinaten in den deutschen Kartenwerken darum eine besondere Notwendigkeit erlangt.

Zu beachten ist, dass den deutschen Kartenwerken wie z.B. der Deutschen Grundkarte 1:5000, sowie den topographischen Karten 1:25000, 1:50000 und 1:100000 das Besselsche Erdellipsoid zugrunde liegt. Die Halbachsen entsprechen deshalb nicht denen des Systems der IAU. Die Werte nach Bessel betragen für die große Halbachse $a = 6377397.155\;m$ und für die kleine Halbachse $b = 6356078.96325\;m$, woraus sich die Abplattung der Erde zu

$$f = \dfrac {a - b}{a}\approx \dfrac{1}{299.152819}$$

ergibt. Auch in vielen anderen europäischen Ländern wird für die Erstellung von Kartenwerken das Besselsche Erdellipsoid zu Grunde gelegt.

In den östlichen Ländern Europas sind allerdings auch Kartenwerke in Gebrauch, die auf dem jüngeren Erdellipsoid von F. N. Krassowsky aus dem Jahr 1940 mit $a = 6378245\;m$ und $b = 6356863\;m$ beruhen.

Als Beispiel bei meiner Berechnung sollen die Gauß-Krüger-Koordinaten der Externsteine im Teutoburger Wald, in der Nähe von Detmold, verwendet werden mit dem Rechtswert $R = 3494377.65\;m$ und dem Hochwert $H = 5748335.89\;m$.

Im Folgenden sind

Konforme Geografische
Koordinaten
Rechtswert $R$ Länge $\lambda$
Hochwert $H$ Breite $\varphi$

Umrechnung geografische Koordinaten $\lambda, \varphi$ ⇒ konforme Koordinaten $R,H$

Es sind im Besselschen Erdellipsoid

Parameter Wert Bedeutung
$a$ $6377397.155$ Äquatorradius der Erde in $m$
$b$ $6356078.96325$ Polradius der Erde in $m$
$f$ $\dfrac{a-b}{a} \approx \dfrac{1}{299.152819}$ Abplattung des Erdkörpers

Man berechne die folgenden Hilfswerte:

\[\begin{align} c &= \dfrac{a^2}{b}\tag{1} \\[2ex] d &= \dfrac{b^2}{a}\tag{2} \\[2ex] e^2 &= 1 - \dfrac{b^2}{a^2}\tag{3} \\[2ex] e_0 &= \dfrac{e^2}{1 - e^2}\tag{4} \\[2ex] E_{e} &= \dfrac{\pi}{2}\cdot\left( 1 - \dfrac{1}{4}\cdot e^2 - \dfrac{9}{64}\cdot \dfrac{e^4}{3} - \dfrac{225}{2304}\cdot \dfrac{e^6}{5}\right)\tag{5} \\[2ex] z &= \dfrac{2}{\pi}\cdot a\cdot E_e\tag{6} \\[2ex] \hline \alpha &= d\cdot \left( \dfrac{3}{8}\cdot e^2 + \dfrac{15}{32}\cdot e^4 + \dfrac{525}{1024}\cdot e^6 + \dfrac{2205}{4096}\cdot e^8 \right)\tag{7} \\[2ex] \beta &= d\cdot \left( \dfrac{15}{256}\cdot e^4 + \dfrac{105}{1024}\cdot e^6 + \dfrac{2205}{16384}\cdot e^8 \right)\tag{8} \\[2ex] \gamma &= d\cdot \left( \dfrac{35}{3072}\cdot e^6 + \dfrac{105}{4096}\cdot e^8 \right)\tag{9} \\[2ex] \delta &= d\cdot \left( \dfrac{315}{131072}\cdot e^8 \right)\tag{10} \end{align}\]

In dem nachfolgenden Rechenschema wird der Winkel $p$ in Bogenmaß angenommen. Zu seiner Berechnung ist ein Iterationsverfahren mit maximal etwa sechs Iterationsschritten erforderlich.

Der Startwert $p_0$ berechnet sich zu:

$$p_0 = \dfrac{H}{z} = 0\overset{r}{.}9028692257262\tag{11}$$

und weiter im Iterationsverfahren:

$$p_{i+1} = \dfrac{H + \alpha\cdot\sin (2\cdot p_i) - \beta\cdot\sin(4\cdot p_i) + \gamma\cdot\sin (6\cdot p_i) - \delta\cdot\sin (8\cdot p_i)}{z}\tag{12}$$

Wenn sich die beiden letzten Ergebnisse nicht mehr unterscheiden, kann das Iterationsverfahren beendet werden. Die nächsten Rechenschritte ergeben sich durch die Formeln:

\[\begin{align} T &= \tan p\tag{13} \\[2ex] D &= e_0\cdot \cos^2 p\tag{14} \\[2ex] V &= 1 + D\tag{15} \\[2ex] N_1 &= \dfrac{\sqrt{V}}{c}\tag{16} \\[2ex] C &= \dfrac{1}{2}\cdot N_1^2\cdot V\cdot T\tag{17} \\[2ex] G &= \dfrac{C\cdot N_1^2\cdot (1 + 3\cdot T^2)}{12}\tag{18} \\[2ex] W &= N_1\cdot T\tag{19} \\[2ex] H &= \dfrac{N_1}{\cos p}\tag{20} \\[2ex] F &= \dfrac{H\cdot W^2}{3}\tag{21} \\[2ex] S &= \dfrac{N_1^3\cdot T\cdot\left( 1+2\cdot T^2 + D \right)}{6}\tag{22} \\[2ex] K &= \text{floor}\left( \dfrac{R}{10^6} \right)\tag{23} \\[2ex] Y &= R - K\cdot 10^6 - 500\,000\tag{24} \end{align}\]

Die geografische Länge $\lambda$ beträgt damit

$$\lambda = (H\cdot Y - F\cdot Y^2)\cdot\dfrac{180}{\pi} + 3\cdot K\tag{25}$$

In Deutschland befinden sich die Längenmeridiane immer östlich von Greenwich und haben daher immer ein negatives Vorzeichen. Die geografische Breite $\varphi$ ergibt sich zu:

$$\varphi = (p - C\cdot Y^2 + G\cdot Y^4)\cdot\dfrac{180}{\pi}\tag{26}$$

An dieser Stelle möchte ich noch auf die verschiedenen Nordrichtungen hinweisen, die auf den Kartenwerken mit großen Maßstäben genannt werden. Man unterscheidet dabei wie folgt:

  1. geografisch Nord = Richtung des durch den Beobachtungsort gehenden Meridians;
  2. Magnetisch Nord = Richtung der Horizintalkomponenten des Magnetfeldes der Erde, welche die Kompassnadel anzeigt und die zeitlich langsam veränderlich ist
  3. Gitter-Nord = Richtung in der die Hoch-Richtung der Gaus-Krüger-Koordinaten weist.

Der Winkel zwischen geografisch und magnetisch Nord wird als Missweisung, der zwischen magnetisch und Gitter-Nord als Nadelabweichung und der zwischen geografisch und Gitter-Nord als Meridiankonvergenz bezeichnet. Die Meridiankonvergenz $c_n$ ergibt sich aus:

$$c_n = (W\cdot Y - S\cdot Y^3)\cdot\dfrac{180}{\pi}\tag{27}$$

Wenn man die Meridiankonvergenz nicht berechnen möchte können die Formeln (22) und (27) entfallen. Die Meridiankonvergenz ist negativ, wenn Gitter-Nord westwärts von geografisch Nord liegt. Es muss berücksichtigt werden, dass alle Berechnungen im Bogenmaß (RAD) erfolgen.

Umrechnung konforme Koordinaten $R,H$ ⇒ geografische Koordinaten $\lambda, \varphi$

Dazu verwende ich die Ergebnisse aus der vorherigen Berechnung:

\[\begin{align} \lambda &= 8\overset{\circ}{.}918360163 \\ \varphi &= 51\overset{\circ}{.}870404516 \end{align}\]

Die geografische Breite $\varphi$ muss zuerst ins Bogenmass umgewandelt werden, also

\[\begin{align} \varphi\cdot\dfrac{\pi}{180} &= 51\overset{\circ}{.}870404516\cdot\dfrac{\pi}{180} \\ &= 0\overset{r}{.}9053093431455357 \\ \end{align}\tag{28}\]

Die Länge $\lambda$ (bzw. $l$) wird während der Berechnung ins Bogenmaß gebracht. Weitere Parameter sind

\[\begin{align} n =&\; \text{floor}\left( \frac{\lambda + 1.5 }{3} \right)\tag{29} \\[2ex] l =&\; \left( \lambda - 3\cdot n \right)\cdot\color{#990000}{\frac{\pi}{180^{\circ}}}\tag{30} \\[2ex] \varepsilon^2 =&\; \frac{e^2}{1 - e^2}\cdot\cos^2\varphi\tag{31} \\[2ex] N =& \frac{a}{\sqrt{1 - e^2\cdot\sin^2\varphi}}\tag{32} \\[2ex] S =&\;z\cdot\varphi \\ &- \alpha\cdot\sin (2\cdot\varphi) \\ &+ \beta\cdot\sin (4\cdot\varphi) \\ &- \gamma\cdot\sin (6\cdot\varphi) \\ &+ \delta\cdot\sin (8\cdot\varphi)\tag{33} \\[2ex] S_1 =&\; N\cdot\cos\varphi\tag{34} \\[2ex] S_2 =& -0.5\cdot N\cdot\sin (2\cdot\varphi)\tag{35} \\[2ex] S_3 =& -N\cdot\cos^3\varphi\cdot (1+\varepsilon^2 - \tan^2\varphi)\tag{36} \\[2ex] S_4 =&\; N\cdot\cos^3\varphi\cdot\sin\varphi\cdot (5 + 9\cdot \varepsilon^2 + 4\cdot\varepsilon^4 - \tan^2\varphi )\tag{37} \\[2ex] S_5 =&\; N\cdot\cos^5\varphi\cdot (5 + 14\cdot \varepsilon^2 + 13\cdot\varepsilon^4 - \tan^2\varphi\cdot (18 + 58\cdot\varepsilon^2 + 64\cdot\varepsilon^4) + \tan^4\varphi )\tag{38} \\[2ex] S_6 =& -N\cdot\cos^5\varphi\cdot\sin\varphi\cdot (61 + 270\cdot \varepsilon^2 + 445\cdot\varepsilon^4 - \tan^2\varphi\cdot (58 + 330\cdot\varepsilon^2 + 680\cdot\varepsilon^4) + \tan^4\varphi )\tag{39} \\[2ex] y =&\; l\cdot S_1 - \frac{l^3\cdot S_3}{6} + \frac{l^5\cdot S_5}{120}\tag{40} \end{align}\]

Die gesuchten Werte $R$ und $H$ ergeben sich nun aus einer Taylorentwicklung:

\[\begin{align} R &= 10^6\cdot n + 500000 + y \\[2ex] H &= S - \frac{l^2\cdot S_2}{2} + \frac{l^4\cdot S_4}{24} - \frac{l^6\cdot S_6}{720} \end{align}\]

Es ergeben sich also wieder die gleichen Werte, die am Anfang der Berechnungen als Ausgangswerte angenommen worden sind.