sichtweite_und_kimmtiefe
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====== Sichtweite und Kimmtiefe ====== | ====== Sichtweite und Kimmtiefe ====== | ||
- | Dieses Thema kommt eher aus der Nautik, Meteorologie oder Geodäsie als aus der Ephemeridenrechnung. Es geht um die (berechenbare) Entfernung zum Horizont (Sichtweite) und den dazugehörenden Winkel. Die Kimmtiefe ist der Winkel, den die Horizontale vom Auge des Beobachters (der „wahre“, | + | Dieses Thema kommt eher aus der Nautik, Meteorologie oder Geodäsie als aus der Ephemeridenrechnung. Es geht um die (berechenbare) Entfernung zum Horizont (Sichtweite) und den dazugehörenden Winkel. Die Kimmtiefe ist der Winkel, den die Horizontale vom Auge des um $e$ erhöhten |
In der **Abb.1** ist $\overline{HH}$ (bzw. $\overline{H' | In der **Abb.1** ist $\overline{HH}$ (bzw. $\overline{H' | ||
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- | Den Winkel $\theta$ nennt man in der Nautik Kimmtiefe. Aufgrund der Erdkrümmung kann der Beobachter oberhalb der Erdoberfläche unter den astronomischen Horizont blicken. Die Kimmtiefe $\theta$ hängt von der Höhe des $e$ Beobachters ab. | + | Den Winkel $\theta$ nennt man in der Nautik Kimmtiefe |
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h &= \sqrt{(r + e)^2 - r^2} = \sqrt{2\cdot e\cdot r + e^2}\\ | h &= \sqrt{(r + e)^2 - r^2} = \sqrt{2\cdot e\cdot r + e^2}\\ | ||
h & | h & | ||
- | \end{align}\] | + | \end{align}\tag{1}\] |
da $e^2$ eine sehr kleine Größe ist. | da $e^2$ eine sehr kleine Größe ist. | ||
Da $\theta$ ein //kleiner// Winkel ist, gilt im Bogenmaß $\theta\approx\tan\theta$, | Da $\theta$ ein //kleiner// Winkel ist, gilt im Bogenmaß $\theta\approx\tan\theta$, | ||
- | $$\theta^{rad}\approx \tan\theta = \frac{h}{r}\approx \sqrt{\frac{2\cdot e}{r}}$$ | + | $$\theta^{rad}\approx \tan\theta = \frac{h}{r}\approx \sqrt{\frac{2\cdot e}{r}}\tag{2}$$ |
folgt. Nimmt man für $r$ einen Mittelwert (von Äquator- und Polradius) von $6367.45\; | folgt. Nimmt man für $r$ einen Mittelwert (von Äquator- und Polradius) von $6367.45\; | ||
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\theta^{\circ} & | \theta^{\circ} & | ||
\theta^{\circ} & | \theta^{\circ} & | ||
- | \end{align}\tag{1}\] | + | \end{align}\tag{3}\] |
wobei $e$ in **Metern** ausgedrückt wird. | wobei $e$ in **Metern** ausgedrückt wird. | ||
- | Für einige Werte der Höhe $e$ des Beobachters gibt die nachstehende Tabelle 1 den entsprechenden Wert $\theta$ an. | + | Für einige Werte der Höhe $e$ des Beobachters gibt die nachstehende Tabelle 1 den entsprechenden Wert $\theta$ an. Man stellt fest, dass bei einer Höhe von nur einem Meter die Kimmtiefe bereits $2'' |
- | Man stellt fest, dass bei einer Höhe von nur einem Meter die Kimmtiefe bereits $2'' | + | |
- | Bei einer Höhe von etwa 276 Metern entspricht die Kimmtiefe etwa dem scheinbaren Winkeldurchmesser der Sonne. | + | |
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- | ^ | + | ^ |
^ Höhe von $B$ in $[m]$ ^ $\theta$ | ^ Höhe von $B$ in $[m]$ ^ $\theta$ | ||
| $0$ | $0^{\circ}$ | | $0$ | $0^{\circ}$ | ||
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| $100$ | $0^{\circ}19' | | $100$ | $0^{\circ}19' | ||
| $1000$ | | $1000$ | ||
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Wie bereits erwähnt ist Formel (1) nur gültig, wenn die Höhe $e$ des Beobachters klein im Verhältnis zum Erdradius $r$ ist. | Wie bereits erwähnt ist Formel (1) nur gültig, wenn die Höhe $e$ des Beobachters klein im Verhältnis zum Erdradius $r$ ist. | ||
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Wenn man auf einem Berggipfel steht, muss man "nach unten" schauen, um den Horizont zu sehen. Die Sonne steht also tatsächlich tiefer als die Augen, wenn sie auf- oder untergeht. Um wie viel wird der Sonnenaufgang dadurch verfrüht bzw. der Sonnenuntergang verzögert, weil sich der Horizont absenkt? Um das herauszufinden, | Wenn man auf einem Berggipfel steht, muss man "nach unten" schauen, um den Horizont zu sehen. Die Sonne steht also tatsächlich tiefer als die Augen, wenn sie auf- oder untergeht. Um wie viel wird der Sonnenaufgang dadurch verfrüht bzw. der Sonnenuntergang verzögert, weil sich der Horizont absenkt? Um das herauszufinden, | ||
- | Im Folgenden wird angenommen, dass sich der lokale Stundenwinkel der Sonne während 24 Stunden um genau 360° vergrößert. Mit den gegenwärtigen Werten der Orbitalelemente der Erde kann die tägliche Variation im Laufe des Jahres zwischen den Extremwerten $359.88^{\circ}$ und $360.09^{\circ}$ pro Tag variieren. | + | Im Folgenden wird angenommen, dass sich der lokale Stundenwinkel der Sonne während 24 Stunden um genau 360° vergrößert. Mit den gegenwärtigen Werten der Orbitalelemente der Erde kann die tägliche Variation im Laufe des Jahres zwischen den Extremwerten $359\overset{\circ}{.}88$ und $360\overset{\circ}{.}09$ pro Tag variieren. |
Die Höhe $h$ der Sonne ergibt sich aus | Die Höhe $h$ der Sonne ergibt sich aus | ||
- | $$\sin h = \sin\delta_{\odot}\cdot\sin\beta_0 + \cos\delta_{\odot}\cdot\cos\beta_0\cdot\cos | + | $$\sin(h) = \sin(\delta_{\odot})\cdot\sin(\beta_0) + \cos(\delta_{\odot})\cdot\cos(\beta_0)\cdot\cos |
- | wobei $\delta_{\odot}$ die Deklination der Sonne, $\beta_0$ die geografische Breite des Beobachters und $H$ der Stundenwinkel der Sonne ist. Wenn man die **1. Ableitung** beider Elemente dieser Formel nach der Zeit nimmt, erhält man (unter Berücksichtigung der Konstanz von $\beta_0$ und Vernachlässigung der sehr kleinen Variation von $\delta_{\odot}$) | + | wobei $\delta_{\odot}$ die Deklination der Sonne, $\beta_0$ die geografische Breite des Beobachters und $\tau$ der Stundenwinkel der Sonne ist. Wenn man die **1. Ableitung** beider Elemente dieser Formel nach der Zeit nimmt, erhält man (unter Berücksichtigung der Konstanz von $\beta_0$ und Vernachlässigung der sehr kleinen Variation von $\delta_{\odot}$) |
- | $$\cos h\cdot \textrm{d}h = -\cos\delta_{\odot}\cdot\cos\beta_0\cdot\sin | + | $$\cos(h)\cdot \textrm{d}h = -\cos(\delta_{\odot})\cdot\cos(\beta_0)\cdot\sin(\tau)\cdot\textrm{d}\tau\tag{5}$$ |
- | bzw., weil am Horizont $\cos h = 1$ gilt, | + | bzw., weil am Horizont $\cos(h) = 1$ gilt, |
- | $$\textrm{d}h = -\cos\delta_{\odot}\cdot\cos\beta_0\cdot\sin | + | $$\textrm{d}h = -\cos(\delta_{\odot})\cdot\cos(\beta_0)\cdot\sin(\tau)\cdot\textrm{d}\tau\tag{6}$$ |
- | Hier ist $\textrm{d}H$ die Variation des Stundenwinkels der Sonne (360° pro Tag oder 1° alle 240 Sekunden) und $\textrm{d}h$ die Variation ihrer Höhe, ausgedrückt in denselben Einheiten wie $\textrm{d}H$. Der Wert von $\sin H$ kann aus der Tatsache abgeleitet werden, dass man am Horizont (unter Vernachlässigung der Lichtbrechung) $\cos H = -\tan \delta_{\odot}\cdot \tan\beta_0$ gegeben hat. | + | Hier ist $\textrm{d}\tau$ die Variation des Stundenwinkels der Sonne ($360^{\circ}$ |
- | Man sieht jetzt, dass der Faktor $A = \cos\delta_{\odot}\cdot\cos\beta_0\cdot\sin | + | Man sieht jetzt, dass der Faktor $A = \cos(\delta_{\odot})\cdot\cos(\beta_0)\cdot\sin(\tau)$ **nicht** vom Vorzeichen von $\delta_{\odot}$ oder $\beta_0$ abhängt, da der Kosinus |
- | Am Äquator ist $\sin H = 1$ (oder $-1$) für alle Deklinationen, | + | Am Äquator ist $\sin(\tau) |
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==== Beispiel ==== | ==== Beispiel ==== | ||
- | Die Augen eines Beobachters befinden sich in einer Höhe von $50$ Metern über dem Meeresspiegel. Bei dieser Höhe beträgt die Kimmtiefe $0^{\circ}13' | + | Die Augen eines Beobachters befinden sich in einer Höhe von $50$ Metern über dem Meeresspiegel. Bei dieser Höhe beträgt die Kimmtiefe $0^{\circ}13' |
Die obige Formel (4) ergibt dann den Vorfaktor | Die obige Formel (4) ergibt dann den Vorfaktor | ||
- | $\textrm{d}h = 0.57512\cdot\textrm{d}H$ | + | $\textrm{d}h = 0.57512\cdot\textrm{d}\tau$ |
Da $\textrm{d}h$ hier der Kimmtiefe entspricht, erhält man | Da $\textrm{d}h$ hier der Kimmtiefe entspricht, erhält man | ||
- | $\textrm{d}H = \frac{\textrm{d}h}{0.57512} = \frac{0\overset{\circ}{.}2270}{0.57512} = 0\overset{\circ}{.}3947$ | + | $\textrm{d}\tau = \frac{\textrm{d}h}{0.57512} = \frac{0\overset{\circ}{.}2270}{0.57512} = 0\overset{\circ}{.}3947$ |
was einem Unterschied von $95$ Sekunden gegenüber dem theoretischen (Meeresspiegel-)Sonnenauf- oder untergang entspricht! Eine Person, die sich im obersten Stockwerk eines hohen Gebäudes aufhält, könnte theoretisch den Aufgang des oberen Randes der Sonne beobachten, dann eilig mit dem Aufzug nach unten fahren und den Sonnenaufgang ein zweites Mal sehen! | was einem Unterschied von $95$ Sekunden gegenüber dem theoretischen (Meeresspiegel-)Sonnenauf- oder untergang entspricht! Eine Person, die sich im obersten Stockwerk eines hohen Gebäudes aufhält, könnte theoretisch den Aufgang des oberen Randes der Sonne beobachten, dann eilig mit dem Aufzug nach unten fahren und den Sonnenaufgang ein zweites Mal sehen! | ||
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sichtweite_und_kimmtiefe.1722849371.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/12/20 01:35 (Externe Bearbeitung)