Abstand windschiefer Geraden

Hier wird das Lotfußpunktverfahren mit “laufenden Punkten” gezeigt.

Die Formel für den Abstand \(d\) windschiefer Geraden liefert nur die kleinste Entfernung, gibt aber keine Auskunft darüber, in welchen Punkten der Geraden der Abstand genau zustande kommt. Die sogenannten Fußpunkte erhält man mit einem Lotfußpunktverfahren.

Wenn die Geraden \(g: x = P + r\, \vec{u}\)  und  \(h:x  = Q + s\, \vec{v}\)  windschief sind und der Normalenvektor auf beide Richtungsvektoren \(\vec{n}\) ist, dann lautet der Abstand der beiden Geraden

\(\large{d= \frac{|(\vec{Q}-\vec{P})\cdot \vec{n}|}{|\vec{n}|}}\)

Im Folgenden arbeiten wir jedoch mit der “Methode der laufenden Punkte” (= allgemeine Punkte der Geraden), die ohne vorherige Berechnung eines Normalenvektors auskommt.

Vorgehensweise: Abstand windschiefer Geraden mit laufenden Punkten

windschiefe_geraden_abstandGegeben seien zwei windschiefe Geraden

\(g: x = P + r\, \vec{u}\)    und

\(h:x  = Q + s\, \vec{v}\)

\(\vec{u}\) und \(\vec{v}\) sind die Richtungsvektoren der Geraden \(g\) bzw. \(h\).

Die Punkte \(F_{g}\) und \(F_{h}\) seien die Fußpunkte des gemeinsamen Lotes. Die braunen Hilfsebenen sollen nur das räumliche Vorstellungsvermögen unterstützen und haben für die Rechnung keine weitere Bedeutung.

Die Verbindungslinie \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\) muss auf beide Geraden und somit auf beide Richtungsvektoren senkrecht stehen. Daraus folgt, dass die jeweiligen Skalarprodukte der Richtungsvektoren mit dem Vektor \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\) Null ergeben müssen. Daraus erhält man ein Gleichungssystem, mit dessen Lösung sich die Koordinaten der Fußpunkte berechnen lassen.

Schritt für Schritt

  1. Man erstellt allgemein den Verbindungsvektor \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\), der zunächst noch die Parameter \(r\) und \(s\) der Geraden enthält.
  2. Aus den Bedingungen \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\cdot \vec{u} = 0\) und \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\cdot \vec{v} = 0\) berechnet man mithilfe des erhaltenen Gleichungssystems die Parameter \(r\) und \(s\) und kann dann die Fußpunkte \(F_{g}\) und \(F_{h}\) auf den Geraden ermitteln.
  3. Der Abstand der windschiefen Geraden beträgt dann \(d = \left| \overrightarrow{{F_{g}}{F_{h}}} \right|\).
Beispiel

Gegeben sind die windschiefen Geraden \(\displaystyle g:\vec{X}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ 2 \\ {-3} \end{array}} \right)+r\left( {\begin{array}{*{20}{c}} 0 \\ 1 \\ 2 \end{array}} \right)\) und \(\displaystyle h:\vec{X}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-3} \\ {-3} \\ 3 \end{array}} \right)+s\left( {\begin{array}{*{20}{c}} 1 \\ 2 \\ 1 \end{array}} \right)\)

Gesucht sind der kleinste Abstand \( d \) der Geraden und die dazugehörenden Fußpunkte \( F_g \) und \( F_h \) auf den Geraden.

Lösung

Schritt 1

Ein Punkt auf der Geraden \(g\) ist gegeben mit

\(\displaystyle \left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ {2+r} \\ {-3+2r} \end{array}} \right)\)

Ein Punkt auf der Geraden \(h\) ist gegeben mit

\(\displaystyle \left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-3+s} \\ {-3+2s} \\ {3+s} \end{array}} \right)\)

Der Abstand berechnet sich mit (Endpunkt – Anfangspunkt) zu

\(\displaystyle \overrightarrow{{{{F}_{g}}{{F}_{h}}}}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-3+s} \\ {-3+2s} \\ {3+s} \end{array}} \right)-\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ {2+r} \\ {-3+2r} \end{array}} \right)=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {4+s} \\ {-5+2s-r} \\ {6+s-2r} \end{array}} \right)\)

Schritt 2

Wir kennen die Bedingung, dass die Verbindung \(\overrightarrow{F_{g}F_{h}}\) auf beide Richtungsvektoren senkrecht stehen muss. Wir erhalten ein Gleichungssystem mit den beiden Parametern \(r\) und \(s\).

Gerade \(g\): Der Richtungsvektor \(\vec{u}\) der Geraden \(g\) lautet \(\vec{u}= \displaystyle \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 0 \\ 1 \\ 2 \end{array}} \right)\)

\(\displaystyle \overrightarrow{F_{g}F_{h}}\cdot \vec{u} = 0\Rightarrow \left( {\begin{array}{*{20}{c}} {4+s} \\ {-5+2s-r} \\ {6+s-2r} \end{array}} \right)\cdot \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 0 \\ 1 \\ 2 \end{array}} \right)=0\)

\(\displaystyle \begin{array}{l}(4+s)\cdot 0+(-5+2s-r)\cdot 1+(6+s-2r)\cdot 2=0\\-5+2s-r+12+2s-4r=0\\7+4s-5r=\\4s-5r=-7\quad \quad I\end{array}\)

Gerade \(h\): Der Richtungsvektor \(\vec{v}\) der Geraden \(h\) lautet \(\vec{u}= \displaystyle \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 1 \\ 2 \\ 1 \end{array}} \right)\)

\(\displaystyle \overrightarrow{F_{g}F_{h}}\cdot \vec{v} = 0\Rightarrow \left( {\begin{array}{*{20}{c}} {4+s} \\ {-5+2s-r} \\ {6+s-2r} \end{array}} \right)\cdot \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 1 \\ 2 \\ 1 \end{array}} \right)=0\)

\(\displaystyle \begin{array}{l}(4+s)\cdot 1+(-5+2s-r)\cdot 2+(6+s-2r)\cdot 1=0\\4+s-10+4s-2r+6+s-2r=0\\6s-4r=0\quad \quad II\end{array}\)

Das Gleichungssystem mit den zwei Unbekannten \(r\) und \(s\) können wir mit dem Additionsverfahren lösen. Man sieht, dass das gemeinsame Vielfache von 4 und 6 die 12 ist, also ziehen wir das 2-fache der 2. Gleichung vom 3-fachen der 1. Gleichung ab, um das \(s\) loszuwerden:

\begin{align}
I\quad 4r-5s & =-7\\
II\quad 6s-4r & =0
\end{align}

\(\displaystyle 2\cdot II-3\cdot I\)

\begin{align}
-12s+15r & =-21\\
12s-8r & =0\\
-7r & = -21\\
r &=3
\end{align}

Einsetzen von \(r=3\) in \(II\) ergibt

\begin{align}
6s-4\cdot 3& =0\\
6s & =12\\
s&=2
\end{align}

Windschiefe Geraden - AbstandDie Werte \(r=3\) und \(s=2\) setzt man nun in die ursprünglichen Geradengleichungen ein, um die Fußpunkte \(F_{g}\) und \(F_{h}\) zu erhalten:

\(\displaystyle {{F}_{g}}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ 2 \\ {-3} \end{array}} \right)+3\cdot \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 0 \\ 1 \\ 2 \end{array}} \right)=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ 5 \\ 3 \end{array}} \right)\)

\(\displaystyle {{F}_{h}}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-3} \\ {-3} \\ 3 \end{array}} \right)+2\cdot \left( {\begin{array}{*{20}{c}} 1 \\ 2 \\ 1 \end{array}} \right)=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-1} \\ 1 \\ 5 \end{array}} \right)\)

Schritt 3

Für den Abstand der Fußpunkte berechnet man den Verktor von \(F_{g}\) nach \(F_{h}\) und dann die Länge dieses Vektors:

\(\displaystyle \overrightarrow{{{{F}_{g}}{{F}_{h}}}}=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-1} \\ 1 \\ 5 \end{array}} \right)-\left( {\begin{array}{*{20}{c}} {-7} \\ 5 \\ 3 \end{array}} \right)=\left( {\begin{array}{*{20}{c}} 6 \\ {-4} \\ 2 \end{array}} \right)\)

\(\displaystyle d=\overrightarrow{{\left| {{{F}_{g}}{{F}_{h}}} \right|}}=\sqrt{{{{6}^{2}}+{{{(-4)}}^{2}}+{{2}^{2}}}}=\sqrt{{36+16+4}}=\sqrt{{56}}\approx 7,483…\)

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